GESCHICHTEN

 

Die, die als Einzige opfert

 

 

Früher, sagten die Ältesten, gab es so viele Comanchen, wie Gras auf der Prärie. Jeden Frühling tanzen, singen und beten die Comanchen zu Großvater (Gott), dass der Leben spendende Regen kommen möge. Aber es kam eine Zeit, in der der Regen ausblieb und eine große Dürre brachte den Menschen Hunger und Tod. Drei Tage lang tanzten die Comanchen, die Trommeln klangen und die Menschen sandten ihre Stimmen zum großen Geist: “Großer Geist, der Leben spendende Regen kam nicht zu deinem Volk. Das Land ist verdorrt und die Menschen sterben den Hungertod.“ Es gab weder ein Zeichen, noch eine Antwort. So fragten die Menschen demütig: „Wir bitten dich Gott, schütze uns.

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Was haben wir getan, dass Großvater verärgert ist? Was müssen wir tun, dass das lebensspendende Wasser zurück kommt und dein Volk wieder leben kann?“ Und wieder war es still. Die Comanchen beteten, sie tanzten, schauten und warteten. Im Schatten der Hütten kniete ein kleines Mädchen, das unter dem Namen „She-Who-Is-Alone ( Die, die alleine ist ) bekannt war. In ihrem Schoß umklammerte sie liebevoll eine Puppe, welche von ihrer Mutter mit Sorgfalt gemacht und von ihrem Vater schön verziert worden war. Welch wundervolle Maisblattpuppe sie war, mit spiritueller Bemalung, perlenbestickte Leggins, Brustpanzer aus Röhrenknochen und blaue Federn des Blue-Jay-Vogels, dessen Rufen wie: „Jay-Jay“ klingt.

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She-Who-Is-Alone war ein sehr trauriges, kleines Mädchen, weil sie immer an ihre Eltern denken musste. Sie starben den Hungertod und sind nun in der Geisterwelt. Sie dachte auch an ihre Großeltern, die sie nur aus Erzählungen kannte. Diese Kriegerpuppe war ihr einziger Kamerad. Die Comanchen sorgten für sie und hatten Mitgefühl mit ihrem Kummer. Dieses kleine Mädchen sprach mit ihrer Puppe, als wäre sie lebendig und an diesem Tag sagte sie zu ihr: “Der Heilige Mann (Medizinmann) geht heute Nacht auf den Hügel, um Rat zu halten mit dem großen Geist und um ihm Sage (Salbei) und Sweetgrass (Süßgras) anzubieten. Wenn er wieder kommt, wird er wissen, was zu tun ist.“

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She-Who-Is-Alone hielt ihre Kriegerpuppe ganz nah an ihrem Herzen. Das Mädchen schaute die ganze Nacht zusammen mit ihrer Puppe zum Hügel hinauf, betend und hoffend auf einen Erfolg. Die Sonne ging unter und  wieder auf, während der Heilige Mann mit dem Großen Geist sprach. Dann am folgenden Tag stürmte der Ausrufer durch das Lager und verkündete: „Der Heilige Mann kommt vom Hügel herunter!“ Das Volk versammelte sich in einem großen Kreis, um die Worte des Heiligen Mannes zu hören. Nach dem üblichen Rauchen der heiligen Pfeife, die zuerst Gott, dann Mutter Erde und dann den vier Himmelsrichtungen angeboten wird, sprach er.

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„Ich wurde mit einer Vision und Worten aus der Geisterwelt beehrt. Der Große Geist sieht, dass die Menschen selbstsüchtig und egoistisch geworden sind. Die Comanchen haben zuviel von Mutter Erde genommen und zu wenig gegeben. Diese Hungersnot ist eine Warnung!“ Die Menschen hielten entsetzt den Atem an und dann fuhr der Heilige Mann fort: „Gott sagt, die Comanchen müssen jetzt ein Opfer bringen, um Buße zu tun. Wir müssen unseren wertvollsten Besitz auswählen, ihn im Feuer verbrennen und die Asche in die vier Himmelsrichtungen verstreuen. Nur wenn die Menschen bereit sind, dieses Opfer zu bringen, wird der Regen zurück kommen und die Erde wird wieder ihre Kinder ernähren.“

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Die Menschen freuten sich, sangen und tanzten herum. Aber dann begannen sie nachzudenken, was sie tun mussten. Ein großer Krieger sprach: „Ich bin sicher, dass Gott nicht meinen einzigen Bogen verlangen wird. Denn wie sollte ich sonst jagen und mein Volk verteidigen? “ „Und ich bin mir sicher, dass Gott nicht verlangen wird, dass ich meine neue Decke opfere!“ rief eine junge Frau. „Sicherlich würde ich vor Kälte sterben.“ Während man nach Ausreden suchte, wurde es dunkel und jeder ging in seine warme Hütte zurück. Morgen ist ja auch noch ein Tag. She-Who-Is-Alone konnte nicht schlafen. In ihrem Herzen wusste sie, was sie zu tun hatte. „Du bist mein wertvollster Besitz,“ murmelte sie zu ihrer Kriegerpuppe.

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„Du bist es, was der Große Geist will!“ Sie wusste genau, was sie tun musste. Ihre Eltern lehrten sie gut; sie wird nicht selbstsüchtig sein, trotz ihrer Erinnerung an die Liebe ihrer Eltern. Sie durfte nicht zulassen, dass noch mehr Tod die Herzen ihres Volkes verdunkelte, so wie es mit ihrem Herzen geschehen war. Sie wusste nur zu gut, was Einsamkeit bedeutete. Als das Feuer herunter brannte, kroch das mutige Mädchen in Richtung des Feuers. Die Nacht war still, nur der Ruf des Nachtfalken war zu hören. Die Sterne schienen hell, als She-Who-Is-Alone ein brennendes Holz nahm und heimlich zu dem Hügel ging, auf dem der heilige Mann mit dem Großen Geist gesprochen hatte. Als sie am Gipfel angekommen war, kniete sie nieder und sprach zum Himmel:

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„Oh Großer Geist, ich bin ein kleines Mädchen und habe nur diese Maisblattpuppe, aber sie ist das Wertvollste auf Erden, das ich besitze. Sie ist von meiner Familie, die durch die Hungersnot starb und nun   in der Geisterwelt ist. Bitte, bitte nimm dieses kleine Geschenk und erlaube den Menschen zu leben!“ Schnell sammelte sie Zweige zusammen, die sie mit ihrer Fackel anzündete. Sie dachte an ihre Eltern und  an die Liebe, die sie ihr gaben. Sie dachte an ihr Volk und an dessen Leiden. Sie schloss ihre Augen und warf die wertvolle Puppe ins Feuer. She-Who-Is-Alone wartete und schaute, während das Feuer ihre Gabe verbrannte. Als die Asche erkaltet war, sprach sie ein leises Gebet, nahm die Asche und verstreute sie in die vier Himmelsrichtungen.

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Sie seufzte und schnell schlief sie auf dem Heiligen Hügel ein. Das erste  Sonnenlicht weckte sie aus ihren Träumen auf. Sie wischte sich den Schlaf aus den Augen und schaute vom Hügel herab. Auf allen vier Seiten des Hügels sah sie Felder voller wunderschöner Blumen, blau wie die Federn des Blue-Jay-Vogels, der „Jay-Jay“ ruft. Die Blumen erstreckten sich soweit ihr Auge reichte. Die Comanchen eilten aus ihren Hütten und konnten ihren Augen kaum glauben, als das wundervolle Mädchen vom Hügel kam. Der Leben spendende Regen setzte ein und segnete die Comanchen, genau wie der Große Geist versprochen hatte.

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Die Comanchen jubelten und es fand eine große Feier zu Ehren des kleinen Mädchens statt, die das große Opfer gebracht hatte. Sie erhielt viele Geschenke und wurde mit einem neuen Namen geehrt, den ihr der Heilige Mann gab. She-Who-Dearly-Loved-Her-People (Sie- die- wahrlich- ihr Volk- liebte) erinnerte sich nun ihrer Eltern und ihrer Kriegerpuppe mit Liebe und Stolz. Von nun an, an jedem Frühling, erinnerte der Große Geist an das große Opfer, das von dem kleinen Mädchen gebracht wurde, bedeckte die Hügel und Täler des Landes, genannt Tejas, mit wundervollen blauen Blumen, die Farbe des Blue-Jay-Vogels, der „Jay-Jay“ ruft. Dieser Ruf ist das Zeichen, dass der Regen kommt, für heute und für ewig.

 

Quellen:

Comanche Lodge – Comanche Stories – Internetinformation

( übersetzt: Thomas Zunal )